GEHST DU AUF REISEN, ODER MACHST DU URLAUB?

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen auf Reisen gehen und Urlaub machen? Und wenn ja, was genau macht ihn aus? 

Ich erinnere mich ziemlich genau, wann und wo ich mir diese Frage das erste Mal gestellt habe. Es war 2004, als ich mit dem Reisegefährten für mehrere Monate in Asien unterwegs war. Gestartet sind wir auf Hawaii, sind von da aus über Japan nach China und Laos gereist. Einige der grössten und aufregendsten Milionenstädte der Welt lagen auf unserer Reiseroute, unter anderem Tokio, Peking, Schanghai.... Knapp zweieinhalb Monate waren wir nun unterwegs, und ich war am Ende meiner Kräfte, ich war unendlich müde, regelrecht erschöpft. Der Trip war mein sehnlichster Wunsch gewesen, einmal unterwegs sein, ohne ständig den Rückflug im Nacken zu haben, und jetzt saß ich in meinem Hotelzimmer in Yangon, mit Blick auf die Shwedagon Pagode, und wollte nur noch eins, nichts tun, mich erholen, von den eigentlich ja tollen Strapazen, den langen Busfahrten, dem unbekannten Essen, dem ewigen Rucksack ein– und wieder auspacken.

 

Wie jetzt erholen? Du bist doch in Urlaub, dachte ich... Nein, ich war eben nicht in Urlaub, ich war auf Reisen.

 

Wikipedia definiert das Wort Reise wie folgt: Der Begriff Reise bedeutet (...) die Fortbewegung einer oder mehrerer Personen über eine längere Zeit zu Fuß oder mit öffentlichen oder nichtöffentlichen Verkehrsmitteln außerhalb des Wirtschaftsverkehrs, um ein angestrebtes einzelnes Ziel zu erreichen oder mehrere Orte bis zur Beendigung der Fahrt am Ausgangsort kennenzulernen. 

Da steht nichts von erholen, definitiv nicht. Also warum verreise ich dann freiwillig, sogar über mehrere Monate, wenn es ganz offensichtlich anstrengend ist? 

 

Ich reise um meine Neugier zu befriedigen, um mich in Situationen zu bringen, denen ich Zuhause niemals begegnet wäre, um meinen Kopf mit Bildern zu füllen: 

  • Um auf einem alterschwachen Moped hunderte von Serpentinen durch den nordthailändischen Dschungel hinauf und wieder hinunter zu schleichen, und manchmal auch abzusteigen und zu schieben..
  • Um auf der Ladefläche eines fahrenden Pickups zum Sonnenuntergang in Luang Prabang die Arme auszustrecken, und zu schreien vor Glück, weil es soooo schön ist, dass ich keine Worte finde.
  • Um in Indien in einem staatlichen Guesthouse, mit der anregenden Atmosphäre einer Jugendbesserunganstalt, mutterseelenallein, im gekachelten! Speisesaal ein vorzügliches Dal zu verspeisen.
  • Um ganz still zu werden angesichts eines Buddhas, leuchtend golden, so gross wie ein Haus, der von gläubigen Menschen in meterlange orange Tücher eingewickelt wird. 
  • Um mit neuen Freunden unfassbar scharfes Thaifood zu essen und wir lachen uns halbtot, weil wir alle puterrot anlaufen und keine Luft mehr bekommen. 
  • Um eine sehr abenteuerliche Nacht in 15 Meter Höhe auf einem Baum zuverbringen, unter mir eine Horde wilder Elefanten.
  • Um Papierkörbe in Vietnam zu entdecken, die aussehen wie riesige Pinguine.
  • Um nach 5! Stunden Treppensteigen auf dem Gipfel eines heiligen Berges anzukommen, und von einem freundlichen Chinesen mit den Worten begrüsst zu werden: " Welcome to my Country".
  • Um mitten in der chinesischen Pampa, auf einem Busbahnhof, ohne ein einziges Schild in unserer Schrift, das richtige Sammeltaxi zu finden, in dem ich dann eingeklemmt zwischen Musikinstrumenten und grinsenden Studenten, tatsächlich an mein Ziel, eine bunt beleuchtete Höhle, komme.
  • Um einen bestimmten Tempel in Bangkok zu besuchen, in dem Tag und Nacht ein Fernseher für die Geister läuft, damit den Geistern nicht langweilig wird.

... genau darum reise ich. 

 

Der Duden bietet als Definition für Reisen unter anderem Folgendes an: "sich die Welt ansehen", das ist es! Und Alain de Botton, belletristischer Essayist und Autor des wunderbaren Buches, Kunst des Reisens, sagt: "Ich glaube, dass die Liebe und das Reisen unsere grössten Glücksphantasien sind", der Mann hat absolut recht.

 

Und Urlaub? 

Wikipedia sagt dazu: Urlaub ist die Zeit, die ein arbeitsfähiger Arbeitnehmer (...) von seinem Arbeitsplatz berechtigt fernbleibt, obwohl nach Tages- und Wochenzeit eigentlich Arbeitsleistungen zu erbringen wären.

Klingt sehr nüchtern, aber ist nicht weniger wichtig. Jeder Mensch braucht manchmal einfach eine Pause, einen Liegestuhl, eventuell Sand und Wasser in der Nähe. Nichts tun, an nichts denken, sich erholen, so einfach ist das. Und da bin ich wieder in meinem Hotelzimmer in Yangon, manchmal braucht der Mensch auch Urlaub auf Reisen. Meine 3-monatige Reise endete am Ngapali Beach in Myanmar. Eine Woche lang nichts tun, nur Pause, schlafen und essen, so einfach, so grossartig!

 

Könnt ihr mit meiner Definition etwas anfangen? Reist ihr? Oder macht ihr lieber Urlaub?

 

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