01. DIE MENSCHEN
Ich bin ja wirklich schon viel rumgekommen, aber so willkommen wie in Taiwan, hab ich mich selten gefühlt. Es mag vielleicht auch daran liegen, dass westliche Touristen die ganz grosse Ausnahme sind, und man deswegen als grossgewachsener Mensch, mit, in meinem Fall blauen Augen, immer auffällt. Das allein erklärt allerdings nicht, wieso die Menschen ausnahmslos unglaublich offen, freundlich und unvergleichlich hilfsbereit sind. Ich könnte jetzt aus dem Stand mindestens 10 Geschichten schildern, in denen mir wunderbare Überraschungen widerfahren sind, angefangen bei der kleinen Menschengruppe in der U-Bahn in Taipeh, die kurz nach meiner Ankunft in Taiwan bemüht war, mich durch das etwas unübersichtliche System der verschiedenen Tunnel zu meiner Station zu lotsen, über das entzückende Gastgeber-Ehepaar im East-Rift Valley, die mit uns zum Abendessen gingen, damit der Reisegefährte und ich nicht so allein waren, bishin zu so netten Kleinigkeiten, dass Menschen sich auf einer steilen Treppe entschuldigen, dass sie in der langen Schlange runter zum Meer zu dicht aufrücken. Oder die lustige Frau, die als Streckenposten für einen Ultramarathon im Supermannkostüm an der Strasse stand, und sich bei uns dafür bedankte, dass wir Taiwan bereisen, und und und.....
02. DIE NATUR
Die Natur ist so toll, das sagt sich ja immer leicht, aber was genau ist an Taiwans Natur so besonders? Zuallererst, es ist alles ziemlich gewaltig, beeindruckend gewaltig. Denn obwohl die Insel Taiwan nur etwa 500km lang ist, hat man als Reisender das Gefühl, die Extreme sind viel heftiger im Vergleich zu Deutschland. Auf relativ kleinem Grund findet man bis 4000 Meter hohe Berge, die relativ nah am Ozean liegen, im Winter kann Schnee fallen und doch sind Palmen keine Seltenheit. Das Land hat tiefe Schluchten, reissende Ströme und Dschungel gibt es auch, ein Grossteil der Insel ist aus gutem Grund von der Zivilisation immer noch weitestgehend unberührt, es gibt einfach keine Strassen durch die unwegsame Natur im Osten des Landes. Dass die Kontraste so extrem sind, liegt auch an den wilden Kräften, die auf dieses kleine Land einwirken, massive Taifune sind leider keine Seltenheit, Erdrutsche und Erdbeben auch nicht. Als Folge der heftigen seismischen Bewegungen ist die Insel übersäht mit heissen Quellen, in denen man hervorragend baden kann. Zum Glück wurden wir auf unserer 3-wöchigen Reise im November von Naturkatastrophen verschont und konnten ungestört die Sensationen geniessen.
04. DAS SKURRILE
Für mich als optisch interessierten Menschen macht es immer wieder besonders Spass auf Reisen skurrile und ausgefallene Dinge zu suchen. Das fällt in Taiwan leicht, da wäre z.B. die einzigartige Art, die Welt mit eigentümlichen Gestalten zu bevölkern, lebensgrossen Comicfiguren, mit riesigen Köpfen, einfach nur zur Dekoration. Überhaupt wird der öffentliche Raum, deutlich mehr als bei uns in Deutschland, dekoriert was das Zeug hält, nicht immer schön, aber lustig. Wände werden bemalt, Brücken in Wellenform führen zu Inseln, aus Brettern zusammengenagelte Drachen bewachen eine openair Bar, Hecken werden in Tierform geschnitten, gigantische Tigermäuler lotsen den Besucher in Pagoden und lebensgrosse Papphirsche stehen in Hotelfoyers. Es zeigt sich, der Taiwaner ist einfach verspielter als der Deutsche, ich mag das.
03. ESSEN & TRINKEN
Wie alle Asiaten, sind auch die Taiwaner besessen von Essen, Essen in jeder Form. Da ich mich auf Reisen allerdings vorwiegend vegetarisch ernähre, war mir damit ein relativ grosser Teil des Spasses verwehrt. Ich gestehe, das Angebot auf den, ansonsten sehr unterhaltsamen, Nachtmärkten war aus den genannten Gründen eher nichts für mich, sind doch frittierte Schweineschwänze und eingelegte Hühnerfüsse nichts, womit man mich glücklich machen kann. Aber....Dumplings sind der Hit, die könnte ich jeden Tag zu mir nehmen, die sind auch in vegetarisch ganz köstlich! Bei Din Tai Fung in Taipeh, DEM Ort um Dumplings zu geniessen, lohnt sich jede Minute des Anstehens....Und dann ist da noch der Tee, Taiwan ist berühmt für seinen Oolong, halb fermentierten schwarzen Tee, der in einer recht komplexen Zeremonie zubereitet wird, und mir als Neuling ungeahnte Genüsse beschert hat.
05. DIE KULTUR
Was die wenigsten wissen, Taiwan wurde von der zerstörerischen Kulturrevolution, die in Festlandchina die allermeisten Kulturgüter vernichtet hat, verschont, und ermöglicht dem Reisenden so einen Blick in eine uralte Tradition. Auf der Flucht vor Mao hat Taiwans Staatsgründer Chiang Kai-Shek so ziemlich alles an Kostbrkeiten, was nicht niet – und nagelfest war nach Taiwan mitgenommen, und liess den Schätzen später eigens dafür ein palastartiges Museum in Taipeh bauen. Aber auch für den Menschen, der mit Museen so garnichts am Hut hat, findet sich klassisch chinesische Kultur an fast jeder Strassenecke, reichlich dekorierte Tempel gehören überall zum Stadtbild, Räucherstäbchen, goldbedrucktes Totengeld und Opfergaben für die Ahnen werden in Taiwan feilgeboten, wie andernorts Klamotten und Fressalien. In alle Tempel darf man rein, bin ich auch....und auch, wenn sich mir die Spielregeln nicht erschlossen haben, so ist es doch jedesmal wieder ein Fest fürs Auge. Das ist, zumindest in optischer Hinsicht, das China, mit den klassischen roten Lampions, nachdem ich auf dem Festland vergeblich gesucht habe.
MEIN FAZIT
Taiwan ist ein massiv unterschätztes Reiseziel. Ich hab sie noch im Ohr, die Frage, mh, Taiwan, wo ist das eigentlich? Und was willst du da? Wer auf Taiwan keinen Spass hat, dem ist nicht zu
helfen.
Für wen ist Taiwan als Reiseziel geeignet? Lustigerweise ist Taiwan das erste asiatische Land, bei dem ich, trotz aller oben genannten Unterschiede, auch unerwartet einige
Gemeinsamkeiten mit meiner Heimat Deutschland festgestellt habe.
Die Taiwaner sind ziemlich gut organisiert, alles, was der Reisende so braucht, funktioniert problemlos, die Infrastruktur ist in 1A Zustand, vermutlich sogar besser als hier, Hotelbuchungen sind
easy, die Leute sind pünktlich etc. soweit so deutsch (zumindest das deutsche Klischee) aber all das macht das Land dadurch auch besonders einfach zu bereisen. Eigentlich ist Taiwan das perfekte
Ziel für Asieneinsteiger, die sich vielleicht noch nicht aufs chinesische Festland trauen, aus Sorge, dass sie da nicht klarkommen. Und für Naturliebhaber, und für Radfahrfreaks, die ganze Insel
ist gespickt mit Radwegen für jedes Niveau und und und...
Und für wen ist Taiwan eher weniger geeignet?
Klassischen Backpackern ist Taiwan sicher zu teuer und zu aufgeräumt, die Lebenshaltungskosten ähneln denen, die wir aus Deutschland gewohnt sind, und das lässige, chaotische Lebensgefühl, was ich aus anderen asiatischen Ländern wie Thailand oder Laos kenne, ist hier nicht zu finden.
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Sarah Althaus (Dienstag, 29 April 2014 13:05)
Wow, deine Zusammenfassung macht echt Lust auf Taiwan! Vor kurzem bin ich fast in Taiwan gelandet, vielleicht wird's ja in den nächsten paar Monaten noch...
Bis dahin halte ich mich an deine Berichte :-)
Danke und Gruss,
Sarah
gabriele duenwald (Dienstag, 29 April 2014)
liebe sarah, danke dir für deinen netten kommentar. wie landet man denn FAST in taiwan? :-))
dann wünsch ich dir, dass es beim nächsten mal klappt!
liebe grüße
gabriele
bernet-karlsruhe (Mittwoch, 30 April 2014 10:00)
Hallo Gabriele.
Sehr interessant und informativ, deine Zusammenfassung. Dickes Kompliment!
Was heißt denn "zu teuer" für eine Unterkunft? Bekommt man z.B. ein sauberes DZ-Zimmer mit Dusche für unter 30 Euro?
Danke und Gruß
Annette
Frank (Dienstag, 17 Februar 2015 01:11)
ganz toller Beitrag!
Das nächste mal solltest Du den Süden (PingTung County) bereisen. Dort findest Du auch teilweise das "chaotisch liebenswert lässige" Lebensgefühl. Ich wollte dort nicht mehr weg.
....Und wenn man dann wieder nach Deutschland kommt, vom Flughafen in die S-Bahn steigt, dann fragt man sich.... Warum geht das mit dem freundlich lächeln nicht auch hier. :)
gabriele (Mittwoch, 18 Februar 2015 14:20)
lieber frank, danke dir für deinen kommentar und das kompliment.
ich war auch im süden, allerdings im winter (anfang dezember) und ausser ein paar unerschrockenen japanischen surfern, war es am strand menschenleer. das hat auch seinen reiz, nur mit der atmosphäre, wie ich sie aus thailand kenne, hatte es nicht so viel zu tun. nicht schlechter, nur anders.
detailjaeger (Donnerstag, 13 Oktober 2016 15:22)
Schöner Bericht! Wir sind aktuell in Taiwan unterwegs und ich habe vieles wiedererkannt :)
viele Grüsse aus der Taroko Schlucht
Bjoern